Hallo Ihr Lieben!
Ich habe hier noch nicht viel geschrieben, möchte aber mit diesem Beitrag den Grund für meinen Beitritt zum "Hilferuf-Forum" offenlegen und hoffe, dass ich hier Antworten finde. Wie ich in meinem "Hallo-zusammen"-Beitrag angedeutet habe, leide ich sehr unter heftigen Depressionen und finde keine Hilfe.
Im Grunde kann ich (wenn ich versuche, mein Leben objektiv zu betrachten) bei allen tatsächlichen Schwierigkeiten nicht behaupten, dass ich bisher "nur" schlechte Erfahrungen im Hinblick auf Menschen gemacht habe, aber ich habe mich im Laufe meines Lebens immer mehr von Menschen zurückziehen müssen, sonst gäbe es mich wahrscheinlich heute nicht mehr. Privat halte ich mich nur im Kreis meiner engsten Familie auf und wenn ich raus muss (und dazu muss ich mich wirklich jeden Tag aufs Neue zwingen) ist das für mich so, als ob ich den anderen eine leblose Puppe vor die Nase halte, hinter der ich mich verstecke. Fast alles, was Menschen zu mir oder zu einander tun und sagen trifft mich dermaßen, dass ich es kaum ertrage. Und weil ich mich so verhalte, wie ich es tue, kann auch niemand was mit mir anfangen. Ich leide sehr darunter, so oft alleine zu sein, aber meine vielen sozialen Ängste verhindern jede freudvolle und unbeschwerte Nähe zu anderen Menschen. Ich kann mich auch kaum jemandem anvertrauen und jedes Mal, wenn ich es doch versuche, finde ich kein Verständnis. Oft wird mir gesagt, dass ich (ich bin jetzt 32 Jahre alt) gar nicht so aussehe als ob mir was fehlt. Meistens hält man mich für jünger und auch stärker als ich bin. Gleichzeitig (weil ich eben riesen Probleme habe, die ich aber dauernd überspiele - was ich für diese Verhältnisse ganz gut bewerkstellige) bin ich trotzdem immer recht ausgegrenzt aus jeder Gemeinschaft (also Menschen, die wesentliche Dinge im Leben "gemeinsam" haben).
Ich kann das alles nicht so richtig homogen zusammenfassen, daher einfach meine diffuse Schilderung von wenigen Details:
Vor 12 Jahren hat sich mein Vater das Leben genommen - vor meinen Augen. Er hat sich erhängt. Er hinterließ drei Töchter und eine Frau mit einem riesen Schuldenberg. Die jüngste seiner drei Kinder war schwer krank (schwer körperbehindert) und ist vor knapp einem Jahr von uns gegangen. Sie hatte vor ihrem Tod jahrelang schreckliche Schmerzen und panische Angst vor dem Sterben. Meine Mutter und ich waren an ihrer Seite, aber trotz tagtäglicher Konfrontation dieser Situation nicht gewachsen. Besagte Schwester hatte krankheitsbedingt einen sehr kleinen und zerbrechlichen Körper und musste Tag und Nacht ein Beatmungsgerät verwenden um nicht zu ersticken. Der Druck war so heftig, dass ihr Gesicht davon völlig enstellt war. Am Ende hat sie deshalb sogar aus den Augen geblutet. In ihrem letzten Lebensjahr waren die Schmerzen am unerträglichsten, und die wenigen Freunde, die sie immer besucht hatten, konnten ihre Situation und diesen sterbenden Anblick nicht mehr ertragen. Alles war nurmehr eine Qual für sie: Essen, Trinken, Atmen, … Sie war ganz alleine mit all dem und hatte auch permanent schreckliche Albträume deswegen. Sie träumte regelmäßig, dass sie von Hunden verfolgt würde und dabei Todesängste ausstehen musste. Mit solchen Dingen (ihren Fragen und Ängsten) hat sie sich oft oft an meine Mutter oder mich gewandt und (nachdem wir - no na - von Schulmedizin über Religiosität und Esoterik jedem Quacksalber zu jedem Preis eine Chance gegeben hatten, um jede mögliche Hilfe wahrgenommen zu haben) wussen wir keine Antwort mehr. Sie wollte auch (verständlicherweise) einerseits nicht die Wahrheit wissen, andererseits aber auch nicht angelogen werden. Es war die Hölle auf Erden. Wir konnten nichts tun und mussten irgendwann einsehen, dass bisher nichts geholfen hatte und dass man sich nicht länger selbst belügen kann. Nachdem sie nicht mehr transportabel war, konnten wir nicht einmal einen ordentlichen Psychotherapeuten auftreiben (nur so eine Frau vom Psychosozialen Dienst, die genauso wenig Hilfe war, wie die vorher genannten Instanzen). Wissen Sie, wenn man ein wenig Kofpweh hat oder ein anderes relativ "eindimensionales" Problem, kann es schon helfen, einfach mit "irgendwem" reden zu können, sich ein wenig Ruhe zu gönnen oder dass einem jemand die Hand auflegt oder ähnliches… aber wenn es um etwas Lebensbedrohliches geht, mit einem Rattenschwanz an körperlichen und psychischen Leiden für alle Betroffenen, dann kommt mir inzwischen von Religion über Esoterik oder Energetik bis hin zur Psychotherapie alles wie eine verlogene Geldmacherei vor - ohne jede Absicht zu helfen oder zu heilen.
Es war einfach wie verhext - immer, wenn wir es geschafft hatten, ihr ein wenig das Leben zu erleichtern (durch bestimmte Nahrungsmittel, Medikamente, Veränderungen im Wohnbereich, neue Heilverfahren, …) hat ihr kleiner Körper ein Stückchen weiter schlapp gemacht, sodass die neue Erleichterung auch schon wieder keine mehr war… irgendwann waren wir am Ende. Weil es nicht ein-zwei-drei Jahre so gegangen war, sondern 22 Jahre lang immer schlechter und schlechter werdend, bis keiner mehr konnte. Sie ist sehr angstvoll und unter unvorstellbaren Schmerzen gestorben. Ich kann den Anblick nicht vergessen, als ihr Herz stehen geblieben war und wir ihr die Atemmaske vom Gesicht nahmen. Aus ihrem Mund floss plötzlich so viel Blut. Und sogar aus ihrem Auge, von dieser schrecklichen Atem-Maske. Sie sah grotesk aus. Als wäre sie von einem Lastwagen überfahren worden. Und in ihrem erkalteten Zustand, als sie längst von uns gegangen war, konnten wir sie das erste Mal seit gut 10 Jahren in die Arme schließen - weil es ihr nun keine Schmerzen mehr bereiten konnte.
Als damals mein Vater gestorben war, dachte ich, dass ich den Tod gesehen hätte. Aber als meine Schwester starb, wusste ich, dass es noch tausendmal schlimmer ist, zu sterben, ehe man die Chance zum Leben hatte. Ich kenne keinen Menschen, der so gerne gelebt hat, wie sie. Sie hätte es so sehr verdient, und ich werde mir nie verzeihen, dass mich schon Monate bevor sie tatsächlich gestorben ist, endgültig meine Kraft verlassen hatte. Ich glaube nicht, dass ich ihr eine besondere Hilfe gewesen bin in dieser Zeit. Als sie mich am meisten gebraucht hätte.
Es hätte fast den "noch übrig gebliebenen" Rest unserer Familie zerstört, sogar unsere bis dahin unverwüstliche Mutter, die alles für meine Schwester getant hatte und sich (nicht einmal nach dem Tod meines Vaters) um ihre eigenen Schmerzen gekümmert hatte - vor lauter Sorge um unsere Jüngste. Ich dagegen war mein Leben lang irgendwas zwischen melancholisch und depressiv, aber an diesem Punkt, wo meine Mutter zum ersten Mal ohne Kraft war, konnte ich (und das hat mich selbst gewundert) auch Mal stark sein. Ein paar Monate lang. Ich glaube schon, dass ihr das eine kleine Hilfe war, auch wenn sie danach den größten Teil alleine geschafft hat, um wieder auf die Beine zu kommen. In dieser Zeit habe ich mich auch beruflich neue Perspektiven gesucht und bald darauf mein Wunsch-Studium begonnen. Ich habe versucht, mit total zu motivieren, auch wenn die Trauer groß war. Ich ließ bewusst keinen negativen Gedanken zu - zumindest nur selten. Aber seit einigen Monaten kommt wieder alles in mir hoch und ich beginne, Angst vor mir selbst zu bekommen. Das Studium wächst mir (vor allem was meine sozialen Probleme betrifft) über den Kopf, ich habe permanent depressive Stimmungen die mir fast jeden Handgriff verunmöglichen. In den letzten 6 Wochen habe ich mehrfach Abschiedsbriefe geschrieben und mir alles genau ausgedacht, wie ich meinem Leben ein Ende setze. Die letzten beiden Male davon war ich dann schon an der Brücke, die ich ausgesucht hatte (weil da Nachts nie jemand kommt und mich sicher keiner stören würde) und hatte ein Seil dabei, das schon zum Hänkersknoten geflochten war (ich hatte es aus dem Internet gelernt und ja bei meinem Vater schon gesehen, dass es rasch vorbei ist…). Ich bin einfach stundenlang in der Kälte gesessen und habe gewartet, bis kaum mehr Autos unten durch gefahren sind. Beim ersten Mal bekam ich dann plötzlich Angst vor dem, was nach dem Sterben kommt. Ich kehrte um und habe stattdessen einfach ein paar belastende Dinge aus meinem Alltag gestrichen, um den Druck zu verringern (z.B. mein Mitwirken an einem Bühnenprojekt). Dann ging es mir eine zeitlang besser. Bald war ich aber wieder an dem Punkt und diesmal war mir gleichgültig, ob und was danach mit mir geschah. Ich musste aber sehr intensiv an meine Famiie denken, vor allem an meine Mutter - die schon zwei Mal fast ihren Lebensmut wegen sowas verloren hatte. Ich musste bei diesem Gedanken heftig weinen und habe irgendwann fast mechanisch angefangen, in Anbetracht meines Vorhabens für sie zu bitten und zu beten (obwohl ich eigentlich vom beten nichts mehr halte…). Jedenfalls konnte ich es dann erst recht nicht mehr tun. Immer, wenn ich nach so einem Vorhaben heil nach Hause gekommen war, war ich dankbar, dass ich noch lebte und hatte den festen Vorsatz, mich künftig zusammenzunehmen. Das Problem ist nur, dass ich - wie gesagt - gerade eine Phase durchmache, wo ich alle paar Tage wieder an diese Gabelung der Ausweglosigkeit komme und ich für nichts dem Leben zuträgliches mehr die Kraft aufbringe.
Es ist dann, als ob das Leben bloß sinnloser Schmerz ist. Auch jeder Kontakt mit anderen Menschen (ich bin auf der Hochschule viel mit wesentich jüngeren Menschen zusammen als ich selber bin) erinnert mich schmerzvoll an mein Leben.. wo es eben nie eine Geburtstagsfeier oder ein unbeschwertes Weihnachten oder irgendetwas gab, das normal und sorgenfrei gewesen ist. Immer nur todernste Situationen, Todesangst und mein - zu allem Überfluss - nicht vorhandenes Selbstwertgefühl. In Gesellschaft versuche ich nur zu entsprechen und habe keine Vorstellung von meiner Persönlichkeit, und wie ich die irgendwo einbringen kann. Meistens fühle ich mich samt der unwünschenswerten Situation in der ich immer war und von der niemand was wissen will, als ganzer Mensch unerwünscht. Ich bin immer noch in dieser Isolation und dieser Panik gefangen, alles andere aber bewegt sich weiter und von mir wird das natürlich auch verlangt. Ich habe nichts mit irgend jemandem gemeinsam und kann mich auch keinem erklären. Nicht einmal dieser lange Text kann das wahrscheinlich.
Ich habe darum auch versucht, einen Psychologen zu finden - aber wo ich auch hinkomme, fühle ich mich nicht verstanden. Ich brauche ja keinen "Leistungscoach", der mir "Lebensziele" aufzeigt, die ich haben soll. Ich weiß sehr genau was ich will und was ich kann und auch wie (von den äußeren Schritten her) ich da hinkomme - das ist der einzige Punkt im Leben, wo ich keine Defizite oder Komplexe empfinde.
Von einem Psychologen würde ich mir wünschen, dass er mir hilft, neben beruflichen und familiären Lebensschwerpunkten mit diesen fürchterlichen Emotionen klarzukommen. Und mit den Katastrophen, die dem vorausgeangen sind. Es kann sich ja niemand vorstellen, wie es ist, wenn man sich nurmehr mit dem Bewusstsein aufrecht hält, dass es bald kein "Morgen" mehr gibt. Und wenn man irgendwann den Tag X erreicht hat, ist es - selbst, wenn man es heil überstanden hat - emotional so ein Gewaltakt, dass man Wochen braucht, um wieder klar denken zu können. In dieser Zeit geht viel kaputt, das man sich erarbeitet hat und muss wieder aufgebaut werden. Man macht jede Arbeit unter größerem Druck als es sein müsste und mitunter doppelt und dreifach - aus lauter Selbstzerstörung und Perspektivenlosigkeit heraus. Ich bin überzeugt davon, dass viele von den Menschen, denen es ähnlich geht, gar nicht in der Lage sind irgendwas zu leisten - und bin auch froh, dass ich es trotz allem immer wieder hinkriege. Gleichzeitig ist das aber der Grund, warum niemand meinen Zustand wahrnimmt… Es geht einfach ständig alles kaputt und muss neu aufgebaut werden. Und je öfter das passiert, umso unmöglicher wird das… Ich hab es so satt. Ich will nicht sterben. Ich würde gerne mein bescheidenes Lebensglück finden, irgendwie, irgendwo. Aber wenn es so weiter geht, dann bleibt mir nichts anderes übrig als Ernst zu machen, denn ich schaffe dieses Heiß-Kalt-Leben-Sterben rein körperlich bald nicht mehr. Ich hoffe ja, dass wenigstens der Tod eine Möglichkeit ist, dass dieser unerträgliche Schmerz endet. Und nicht einmal dessen bin ich mir besonders sicher… Aber wenn ich tagtäglich erlebe, wie wenig ich zu irgendwem in dieser Welt dazupasse und wie wenig ich damit klarkomme, mit all dem alleine zu sein, umso mehr habe ich das Gefühl, dass die Welt mich einfach nicht haben will. Ich weiß nicht, ob das irgend jemand nachvollziehen kann, aber ich hoffe es. Ich hoffe, nicht ganz alleine mit all dem zu sein.
Ich habe hier noch nicht viel geschrieben, möchte aber mit diesem Beitrag den Grund für meinen Beitritt zum "Hilferuf-Forum" offenlegen und hoffe, dass ich hier Antworten finde. Wie ich in meinem "Hallo-zusammen"-Beitrag angedeutet habe, leide ich sehr unter heftigen Depressionen und finde keine Hilfe.
Im Grunde kann ich (wenn ich versuche, mein Leben objektiv zu betrachten) bei allen tatsächlichen Schwierigkeiten nicht behaupten, dass ich bisher "nur" schlechte Erfahrungen im Hinblick auf Menschen gemacht habe, aber ich habe mich im Laufe meines Lebens immer mehr von Menschen zurückziehen müssen, sonst gäbe es mich wahrscheinlich heute nicht mehr. Privat halte ich mich nur im Kreis meiner engsten Familie auf und wenn ich raus muss (und dazu muss ich mich wirklich jeden Tag aufs Neue zwingen) ist das für mich so, als ob ich den anderen eine leblose Puppe vor die Nase halte, hinter der ich mich verstecke. Fast alles, was Menschen zu mir oder zu einander tun und sagen trifft mich dermaßen, dass ich es kaum ertrage. Und weil ich mich so verhalte, wie ich es tue, kann auch niemand was mit mir anfangen. Ich leide sehr darunter, so oft alleine zu sein, aber meine vielen sozialen Ängste verhindern jede freudvolle und unbeschwerte Nähe zu anderen Menschen. Ich kann mich auch kaum jemandem anvertrauen und jedes Mal, wenn ich es doch versuche, finde ich kein Verständnis. Oft wird mir gesagt, dass ich (ich bin jetzt 32 Jahre alt) gar nicht so aussehe als ob mir was fehlt. Meistens hält man mich für jünger und auch stärker als ich bin. Gleichzeitig (weil ich eben riesen Probleme habe, die ich aber dauernd überspiele - was ich für diese Verhältnisse ganz gut bewerkstellige) bin ich trotzdem immer recht ausgegrenzt aus jeder Gemeinschaft (also Menschen, die wesentliche Dinge im Leben "gemeinsam" haben).
Ich kann das alles nicht so richtig homogen zusammenfassen, daher einfach meine diffuse Schilderung von wenigen Details:
Vor 12 Jahren hat sich mein Vater das Leben genommen - vor meinen Augen. Er hat sich erhängt. Er hinterließ drei Töchter und eine Frau mit einem riesen Schuldenberg. Die jüngste seiner drei Kinder war schwer krank (schwer körperbehindert) und ist vor knapp einem Jahr von uns gegangen. Sie hatte vor ihrem Tod jahrelang schreckliche Schmerzen und panische Angst vor dem Sterben. Meine Mutter und ich waren an ihrer Seite, aber trotz tagtäglicher Konfrontation dieser Situation nicht gewachsen. Besagte Schwester hatte krankheitsbedingt einen sehr kleinen und zerbrechlichen Körper und musste Tag und Nacht ein Beatmungsgerät verwenden um nicht zu ersticken. Der Druck war so heftig, dass ihr Gesicht davon völlig enstellt war. Am Ende hat sie deshalb sogar aus den Augen geblutet. In ihrem letzten Lebensjahr waren die Schmerzen am unerträglichsten, und die wenigen Freunde, die sie immer besucht hatten, konnten ihre Situation und diesen sterbenden Anblick nicht mehr ertragen. Alles war nurmehr eine Qual für sie: Essen, Trinken, Atmen, … Sie war ganz alleine mit all dem und hatte auch permanent schreckliche Albträume deswegen. Sie träumte regelmäßig, dass sie von Hunden verfolgt würde und dabei Todesängste ausstehen musste. Mit solchen Dingen (ihren Fragen und Ängsten) hat sie sich oft oft an meine Mutter oder mich gewandt und (nachdem wir - no na - von Schulmedizin über Religiosität und Esoterik jedem Quacksalber zu jedem Preis eine Chance gegeben hatten, um jede mögliche Hilfe wahrgenommen zu haben) wussen wir keine Antwort mehr. Sie wollte auch (verständlicherweise) einerseits nicht die Wahrheit wissen, andererseits aber auch nicht angelogen werden. Es war die Hölle auf Erden. Wir konnten nichts tun und mussten irgendwann einsehen, dass bisher nichts geholfen hatte und dass man sich nicht länger selbst belügen kann. Nachdem sie nicht mehr transportabel war, konnten wir nicht einmal einen ordentlichen Psychotherapeuten auftreiben (nur so eine Frau vom Psychosozialen Dienst, die genauso wenig Hilfe war, wie die vorher genannten Instanzen). Wissen Sie, wenn man ein wenig Kofpweh hat oder ein anderes relativ "eindimensionales" Problem, kann es schon helfen, einfach mit "irgendwem" reden zu können, sich ein wenig Ruhe zu gönnen oder dass einem jemand die Hand auflegt oder ähnliches… aber wenn es um etwas Lebensbedrohliches geht, mit einem Rattenschwanz an körperlichen und psychischen Leiden für alle Betroffenen, dann kommt mir inzwischen von Religion über Esoterik oder Energetik bis hin zur Psychotherapie alles wie eine verlogene Geldmacherei vor - ohne jede Absicht zu helfen oder zu heilen.
Es war einfach wie verhext - immer, wenn wir es geschafft hatten, ihr ein wenig das Leben zu erleichtern (durch bestimmte Nahrungsmittel, Medikamente, Veränderungen im Wohnbereich, neue Heilverfahren, …) hat ihr kleiner Körper ein Stückchen weiter schlapp gemacht, sodass die neue Erleichterung auch schon wieder keine mehr war… irgendwann waren wir am Ende. Weil es nicht ein-zwei-drei Jahre so gegangen war, sondern 22 Jahre lang immer schlechter und schlechter werdend, bis keiner mehr konnte. Sie ist sehr angstvoll und unter unvorstellbaren Schmerzen gestorben. Ich kann den Anblick nicht vergessen, als ihr Herz stehen geblieben war und wir ihr die Atemmaske vom Gesicht nahmen. Aus ihrem Mund floss plötzlich so viel Blut. Und sogar aus ihrem Auge, von dieser schrecklichen Atem-Maske. Sie sah grotesk aus. Als wäre sie von einem Lastwagen überfahren worden. Und in ihrem erkalteten Zustand, als sie längst von uns gegangen war, konnten wir sie das erste Mal seit gut 10 Jahren in die Arme schließen - weil es ihr nun keine Schmerzen mehr bereiten konnte.
Als damals mein Vater gestorben war, dachte ich, dass ich den Tod gesehen hätte. Aber als meine Schwester starb, wusste ich, dass es noch tausendmal schlimmer ist, zu sterben, ehe man die Chance zum Leben hatte. Ich kenne keinen Menschen, der so gerne gelebt hat, wie sie. Sie hätte es so sehr verdient, und ich werde mir nie verzeihen, dass mich schon Monate bevor sie tatsächlich gestorben ist, endgültig meine Kraft verlassen hatte. Ich glaube nicht, dass ich ihr eine besondere Hilfe gewesen bin in dieser Zeit. Als sie mich am meisten gebraucht hätte.
Es hätte fast den "noch übrig gebliebenen" Rest unserer Familie zerstört, sogar unsere bis dahin unverwüstliche Mutter, die alles für meine Schwester getant hatte und sich (nicht einmal nach dem Tod meines Vaters) um ihre eigenen Schmerzen gekümmert hatte - vor lauter Sorge um unsere Jüngste. Ich dagegen war mein Leben lang irgendwas zwischen melancholisch und depressiv, aber an diesem Punkt, wo meine Mutter zum ersten Mal ohne Kraft war, konnte ich (und das hat mich selbst gewundert) auch Mal stark sein. Ein paar Monate lang. Ich glaube schon, dass ihr das eine kleine Hilfe war, auch wenn sie danach den größten Teil alleine geschafft hat, um wieder auf die Beine zu kommen. In dieser Zeit habe ich mich auch beruflich neue Perspektiven gesucht und bald darauf mein Wunsch-Studium begonnen. Ich habe versucht, mit total zu motivieren, auch wenn die Trauer groß war. Ich ließ bewusst keinen negativen Gedanken zu - zumindest nur selten. Aber seit einigen Monaten kommt wieder alles in mir hoch und ich beginne, Angst vor mir selbst zu bekommen. Das Studium wächst mir (vor allem was meine sozialen Probleme betrifft) über den Kopf, ich habe permanent depressive Stimmungen die mir fast jeden Handgriff verunmöglichen. In den letzten 6 Wochen habe ich mehrfach Abschiedsbriefe geschrieben und mir alles genau ausgedacht, wie ich meinem Leben ein Ende setze. Die letzten beiden Male davon war ich dann schon an der Brücke, die ich ausgesucht hatte (weil da Nachts nie jemand kommt und mich sicher keiner stören würde) und hatte ein Seil dabei, das schon zum Hänkersknoten geflochten war (ich hatte es aus dem Internet gelernt und ja bei meinem Vater schon gesehen, dass es rasch vorbei ist…). Ich bin einfach stundenlang in der Kälte gesessen und habe gewartet, bis kaum mehr Autos unten durch gefahren sind. Beim ersten Mal bekam ich dann plötzlich Angst vor dem, was nach dem Sterben kommt. Ich kehrte um und habe stattdessen einfach ein paar belastende Dinge aus meinem Alltag gestrichen, um den Druck zu verringern (z.B. mein Mitwirken an einem Bühnenprojekt). Dann ging es mir eine zeitlang besser. Bald war ich aber wieder an dem Punkt und diesmal war mir gleichgültig, ob und was danach mit mir geschah. Ich musste aber sehr intensiv an meine Famiie denken, vor allem an meine Mutter - die schon zwei Mal fast ihren Lebensmut wegen sowas verloren hatte. Ich musste bei diesem Gedanken heftig weinen und habe irgendwann fast mechanisch angefangen, in Anbetracht meines Vorhabens für sie zu bitten und zu beten (obwohl ich eigentlich vom beten nichts mehr halte…). Jedenfalls konnte ich es dann erst recht nicht mehr tun. Immer, wenn ich nach so einem Vorhaben heil nach Hause gekommen war, war ich dankbar, dass ich noch lebte und hatte den festen Vorsatz, mich künftig zusammenzunehmen. Das Problem ist nur, dass ich - wie gesagt - gerade eine Phase durchmache, wo ich alle paar Tage wieder an diese Gabelung der Ausweglosigkeit komme und ich für nichts dem Leben zuträgliches mehr die Kraft aufbringe.
Es ist dann, als ob das Leben bloß sinnloser Schmerz ist. Auch jeder Kontakt mit anderen Menschen (ich bin auf der Hochschule viel mit wesentich jüngeren Menschen zusammen als ich selber bin) erinnert mich schmerzvoll an mein Leben.. wo es eben nie eine Geburtstagsfeier oder ein unbeschwertes Weihnachten oder irgendetwas gab, das normal und sorgenfrei gewesen ist. Immer nur todernste Situationen, Todesangst und mein - zu allem Überfluss - nicht vorhandenes Selbstwertgefühl. In Gesellschaft versuche ich nur zu entsprechen und habe keine Vorstellung von meiner Persönlichkeit, und wie ich die irgendwo einbringen kann. Meistens fühle ich mich samt der unwünschenswerten Situation in der ich immer war und von der niemand was wissen will, als ganzer Mensch unerwünscht. Ich bin immer noch in dieser Isolation und dieser Panik gefangen, alles andere aber bewegt sich weiter und von mir wird das natürlich auch verlangt. Ich habe nichts mit irgend jemandem gemeinsam und kann mich auch keinem erklären. Nicht einmal dieser lange Text kann das wahrscheinlich.
Ich habe darum auch versucht, einen Psychologen zu finden - aber wo ich auch hinkomme, fühle ich mich nicht verstanden. Ich brauche ja keinen "Leistungscoach", der mir "Lebensziele" aufzeigt, die ich haben soll. Ich weiß sehr genau was ich will und was ich kann und auch wie (von den äußeren Schritten her) ich da hinkomme - das ist der einzige Punkt im Leben, wo ich keine Defizite oder Komplexe empfinde.
Von einem Psychologen würde ich mir wünschen, dass er mir hilft, neben beruflichen und familiären Lebensschwerpunkten mit diesen fürchterlichen Emotionen klarzukommen. Und mit den Katastrophen, die dem vorausgeangen sind. Es kann sich ja niemand vorstellen, wie es ist, wenn man sich nurmehr mit dem Bewusstsein aufrecht hält, dass es bald kein "Morgen" mehr gibt. Und wenn man irgendwann den Tag X erreicht hat, ist es - selbst, wenn man es heil überstanden hat - emotional so ein Gewaltakt, dass man Wochen braucht, um wieder klar denken zu können. In dieser Zeit geht viel kaputt, das man sich erarbeitet hat und muss wieder aufgebaut werden. Man macht jede Arbeit unter größerem Druck als es sein müsste und mitunter doppelt und dreifach - aus lauter Selbstzerstörung und Perspektivenlosigkeit heraus. Ich bin überzeugt davon, dass viele von den Menschen, denen es ähnlich geht, gar nicht in der Lage sind irgendwas zu leisten - und bin auch froh, dass ich es trotz allem immer wieder hinkriege. Gleichzeitig ist das aber der Grund, warum niemand meinen Zustand wahrnimmt… Es geht einfach ständig alles kaputt und muss neu aufgebaut werden. Und je öfter das passiert, umso unmöglicher wird das… Ich hab es so satt. Ich will nicht sterben. Ich würde gerne mein bescheidenes Lebensglück finden, irgendwie, irgendwo. Aber wenn es so weiter geht, dann bleibt mir nichts anderes übrig als Ernst zu machen, denn ich schaffe dieses Heiß-Kalt-Leben-Sterben rein körperlich bald nicht mehr. Ich hoffe ja, dass wenigstens der Tod eine Möglichkeit ist, dass dieser unerträgliche Schmerz endet. Und nicht einmal dessen bin ich mir besonders sicher… Aber wenn ich tagtäglich erlebe, wie wenig ich zu irgendwem in dieser Welt dazupasse und wie wenig ich damit klarkomme, mit all dem alleine zu sein, umso mehr habe ich das Gefühl, dass die Welt mich einfach nicht haben will. Ich weiß nicht, ob das irgend jemand nachvollziehen kann, aber ich hoffe es. Ich hoffe, nicht ganz alleine mit all dem zu sein.