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Ich bin ja gar kein Musiker.

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Liebes Forum,

mit 15 Jahren kam ich plötzlich auf die Idee, ein Streichinstrument zu erlernen. Meinen romantischen und idealistischen Vorstellungen nachgebend, traf ich lieber alle Vorbereitungen für ein Instrumentalstudium, anstatt für Schulfächer zu lernen, das heißt: Saiten schinden. Meine sinkenden Zeugnisnoten nahm ich mit Kalkül zur Kenntnis, es galt nur das Abitur zu bestehen, um zur Aufnahmeprüfung einer Musikhochschule eingeladen werden zu können.
Nach der bestandenen Abiturprüfung studierte ich zwei Semester lang per Zweifachbachelor Musikwissenschaft und ein weiteres Fach, dessen Veranstaltungen ich nicht besuchte, um, wie geplant, stattdessen für die Musikhochschulaufnahmeprüfung zu üben, für die ich mich zu dem Zeitpunkt noch nicht bereit wähnte.
Meine (unmusikalische) Familie war besänftigt durch Gespräche mit meinen Instrumentallehrern, die mich als sehr geeignet bezeichneten. Auch meine Freunde fanden mein Vorgehen mutig und genau passend für mich.
So kam es dann auch, dass ich trotz meines extrem späten Einstiegsalters ins Musizieren tatsächlich von einer süddeutschen Musikhochschule aufgenommen wurde und dort nun im dritten Semester studiere.

Seit sieben Jahren hatte ich also ziemlich hart an meinem Wunsch gearbeitet und mein Etappenziel erreicht. Doch nun stellte ich mehr und mehr fest, dass ich gar kein Musiker bin; es hat mir nie Freude gemacht, etwas vorzuspielen und mich zu präsentieren, aber als Schüler sind die wenigen Vorspiele schnell vorbei und bald vergessen. Jetzt bin ich ziemlich oft damit konfrontiert und danach und dabei immer unglücklich, mein Lampenfieber ist extrem. Mich faszinierte das besonnene Üben, das Bewältigen von Problemen, nicht das stupide Sichreinprügeln von Technik, wie es ein Studium erfordert. Am meisten belastet mich, dass die Fähigkeiten am Instrument extrem tagesformabhängig sind, obwohl ich hoffte, irgendwann einen Standard vorweisen zu können.
Wahrscheinlich durchläuft jeder sensiblere Musikstudent solche Phasen, das meinen zumindest alle Kommilitonen, Freunde und Professoren, die hinter mir stehen und an mich glauben, bloß ich selbst ekel mich langsam vor dem Üben und bin nicht in der Lage, meine Hochschulveranstaltungen zu organisieren, verpasse Prüfungen usw. In nicht geringen Mengen trinke ich Wein und rauche zu viel, tagelang war es mir fast unmöglich, das Bett oder die Wohnung zu verlassen, keine Besserung in Sicht. Phasen des Zusammenbrechens und der Verzweiflung passierte ich zwar schon früher, aber anschließend wollte ich erst recht für meine Leidenschaft für Musik und für meine Träume kämpfen.
Doch diesmal will ich einfach nicht mehr, keine Kraft ist übrig um weiterhin meinen Idealen zu opfern und meinem eigentlichen Wesen zu entfliehen, denn das tue ich, wie mir scheint. Seit Monaten leide ich sehr und wünsche ich mir nur eins: Nie mehr dieses Instrument spielen zu müssen.

Liebend gern hätte ich stattdessen Ausbildungsstelle, in der es Kreativität, Präzision und Verantwortung erfordert. Texte erfinden, Modelle bauen, Ideen entwickeln und umsetzen, das wäre ganz groß für mich. Ich möchte in Dinge praktisch eingeführt werden und mich nicht mehr hundertprozentig selbst organisieren müssen, wie es in einem Studium der Fall ist. Ob Ausbildung oder Studium, beides ist mit einem Abischnitt von 3,4 nicht leicht...

Von Euch hätte ich gerne Vorschläge, was Ihr an meiner Stelle tun würdet. Vielleicht könnt ihr sogar eine Berufsempfehlung aussprechen, ich weiß einfach nicht mehr weiter und bin dankbar für jeden Rat eines Außenstehenden!

Vielen Dank!

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